Mit Experimenten schneller das richtige Produkt entwickeln

Was ist Lean Startup?

„Lean“ stammt aus dem Lean-Thinking-Ansatz und steht dort vor Allem für Vermeidung von Verschwendung (muda) und Verkürzung der Durchlaufzeit (Lead Time). Durch Lean Startup soll die Produktentwicklung effektiver werden, indem Teams schneller herausfinden, wie ein auf dem Markt erfolgreiches Produkt beschaffen sein muss.

    Eine Organisationsform für Innovation

    Steve Blank definiert Startups als temporäre Organisationen auf der Suche nach einem Geschäftsmodell, das wiederholbar, skalierbar und profitabel ist. Ist dieses gefunden, muss “nur” noch skaliert und das Geschäftsmodell ausgeführt werden. Damit wird die temporäre Organisation zum Unternehmen.

    Lean Startup kann aber nicht nur in echten Startups angewandt werden, sondern in jeder Umgebung, in der innovative Produkte entwickelt werden sollen – also auch innerhalb bestehender Unternehmen. Innovativ heißt in diesem Kontext, dass das Geschäftsmodell in irgendeiner Form neu ist. Dies kann daran liegen, dass wir mit einem neuen Produkt einen neuen Markt erschließen (z.B. Twitter), oder auch, dass wir ein neues Produkt in einem existierenden Markt platzieren wollen (z.B. Facebook).

    Wie funktioniert Lean Startup?

    Lean Startup geht davon aus, dass das Geschäftsmodell, auf dem wir unser Produkt oder unseren Service aufbauen, aus einer Menge von Annahmen besteht. Diese gilt es anhand von Experimenten und Messungen zu validieren – so ähnlich, wie wir in der Wissenschaft unsere Hypothesen überprüfen. Die Annahmen werden in einem Business Model Canvas festgehalten, mit dem man versucht, das Geschäftsmodell in wenige Teilbereiche aufzuteilen und übersichtlich sowie anschaulich zu beschreiben.

    Dieser Canvas ist kein starres Dokument, sondern er dient dem Zweck, falsche Annahmen schnellstmöglich zu verwerfen und durch andere zu ersetzen. Diese Änderungen auf Strategieebene bezeichnet man als Pivots.

    Unsere Annahmen können wir nicht durch Grübeln und Philosophieren im eigenen Büro validieren. Steve Blanks plakative Aussage “Get out of the building!” verdeutlicht das. Um Annahmen zu überprüfen, müssen wir Feedback von tatsächlichen oder potentiellen Kunden einholen. Idealerweise suchen wir die Kunden in dem Kontext auf, in dem das angenommene Problem sichtbar wird. Das geht häufiger viel einfacher, als man zunächst denkt. Wenn wir uns z.B. für die Probleme von Autokäufern interessieren, finden wir diese am Eingang von Autohäusern.

    In ganz frühen Phasen der Produktentwicklung ist dies am einfachsten durch Beobachtungen und Interviews zu machen. Zwar erreichen wir mit Interviews nur wenige Menschen, aber dafür erhalten wir dadurch wertvolles Feedback. Wir finden nicht nur heraus, dass eine Person ein angenommenes Problem nicht hat. Meist stoßen wir auf neue Probleme, die wir genauer untersuchen können. Oder wir finden heraus, dass die interviewte Person das Problem früher hatte, aber heute nicht mehr. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass wir die Zielgruppe verändern sollten. 

    Generell versucht man Annahmen durch gezielte Experimente zu validieren bzw. zu widerlegen. Wichtig ist dabei, sich vor der Durchführung über die erhofften Ergebnisse Gedanken zu machen. So läuft man nicht Gefahr, diese im Nachhinein interpretieren und diskutieren zu müssen, was nicht selten zu unterschiedlichen Auslegungen führt. Experimentieren erfordert eine Unternehmenskultur, die es erlaubt, Fehler zu machen. Denn der höchste Lerneffekt kann durchaus durch das Widerlegen einer Annahme erzielt werden. Wenn fehlgeschlagene Experimente aber als Misserfolg angesehen werden, behindert dies das Lernen.

    Um Experimente mit möglichst wenig Aufwand und in schnellst möglicher Zeit durchzuführen, empfiehlt es sich, unsere Produktinkremente so klein wie möglich zu halten. Dabei spricht man von einem Minimal Viable Product (MVP), also etwas Minimalem, das durchaus noch unvollständig sein darf, und gerade groß genug ist, um das Experiment durchzuführen. Bei einem so genannten Concierge MVP beispielsweise werden in einem ersten Schritt bestimmte Dinge vorerst manuell durchführt (z.B. das Matching bei einer Partnerbörse). Die Automatisierung wäre zu teuer, weil es ja erst einmal nur darum geht zu lernen, ob und wie viele Benutzer unser Produkt tatsächlich verwenden (und wie sie dies tun).

    Grundsätzlich kommt bei Lean Startup validiertes Lernen vor Produkt und Wachstum, denn wir wollen zuerst herausfinden, was der Markt wirklich will, bevor wir unser Produkt bauen. Damit wird Lernen zum Maßstab für Fortschritt, und nicht – wie meist üblich - die Anzahl umgesetzter Anforderungen. Dies ist zunächst unbefriedigend, weil Lernen – im Gegensatz zu umgesetzten Anforderungen – schwieriger greifbar und messbar ist. Der Business Model Canvas bietet hier aber eine Möglichkeit, den Lernfortschritt zu veranschaulichen.

    Verbildlicht wird dieses Lernen durch den Build-Measure-Learn Zyklus. Das Prinzip ist einfach: Zunächst erstellen wir etwas Kleines („Build“). Darauf aufbauend führen wir Messungen durch („Measure“), um daraus etwas zu lernen („Learn“). Einen kompletten Durchlauf dieses Zyklus bezeichnet man als Experiment. Eine Grundidee von Lean Startup besteht darin, diese Experimente möglichst schnell durchzuführen. Dabei spielt es keine Rolle, wie schnell wir einen einzelnen Schritt ausführen können, wenn andere Schritte darunter leiden. So ist es zum Beispiel egal, wie schnell wir ein Feature bauen können, wenn das dadurch geänderte Kundenverhalten nicht messbar ist. Um das Lernen zu optimieren, planen wir unsere Experimente in entgegengesetzter Richtung: Zunächst überlegen wir uns, was wir lernen möchten; dann fragen wir uns, welche Messungen wir dafür durchführen müssen; und schließlich denken wir uns ein passendes MVP aus. Wie im Build-Measure-Learn Zyklus veranschaulicht, versuchen wir durch Messungen von tatsächlichem Nutzerverhalten zu validiertem Lernen zu gelangen.

    Dave McClure hat mit den so genannten Pirate Metrics (AARRR) eine Menge von Metriken vorgeschlagen, die sich gut für Lean Startup einsetzen lassen. Diese Phasen kann man sich wie einen Trichter vorstellen: In jeder Phase gehen uns Benutzer verloren, und unser Ziel muss es sein, diesen Anteil durch gezielte Anpassungen am Produkt zu minimieren.

    • Acquisition: Wie endecken Benutzer das Produkt?
    • Activation: Verwenden Benutzer die Kernfunktionalität des Produktes?
    • Retention: Kommen Benutzer zurück?
    • Revenue: Bezahlen Benutzer für das Produkt?
    • Referral: Empfehlen Benutzer das Produkt weiter?

    Welche Vorteile bietet Lean Startup?

    • Annahmen über Kundenbedürfnisse, Angemessenheit der Lösung, Größe des Marktes etc. werden explizit gemacht.
    • Falsche Annahmen werden schnell und kostengünstig entdeckt.
    • Dadurch können in einem gegebenen Budget mehr Ideen evaluiert werden und die Chance für den Produkterfolg steigt.

    Tipps für Lean Startup

    • Beginnen Sie mit qualitativen Verfahren und persönlichem Kundenkontakt (Beobachtungen, Interviews). Die Erkenntnisse, die Sie brauchen, finden sich nicht in Ihrem Büro. Gehen Sie zu den Kunden.
    • Rechnen Sie damit, dass der Großteil Ihrer Annahmen nicht zutrifft. Lassen Sie sich nicht gleich ins Bockshorn jagen. Wenn Sie Augen und Ohren offenhalten, finden Sie durch Beobachtungen und Interviews viele neue Chancen.
    • Wenn Sie sicher sind, dass Ihr Produkt/Service relevante Probleme konkreter Menschen löst, nutzen Sie quantitative Verfahren, um den Product-Market-Fit zu validieren.
    • Fallen Sie nicht dem Sunk-Cost-Syndrom zum Opfer. Nur, weil Sie schon viel Aufwand in Konzeption gesteckt haben, sollte Sie das nicht davon abhalten, auch jetzt noch wichtige Annahmen zu prüfen.
    • Wenden Sie das Lean Startup-Vorgehen im einem Team hoher Diversität an.

    Literatur

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