Antidiskriminierende Sprache bei it-agile
„Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater sofort stirbt. Das Kind wird schwer verletzt in eine Klinik eingeliefert und muss sofort operiert werden. Als mehrere Chirurgen in den Notfallbereich stürmen, ruft jemand aus dem Team plötzlich: "Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!"
Woran haben Sie zuerst gedacht? Fast alle Menschen, die diese Anekdote zum ersten Mal hören, sind irritiert: Der Vater ist doch gestorben, wie kann er jetzt im OP-Saal stehen? Eine der möglichen Optionen ist, dass die Mutter Chirurgin ist und jetzt vor ihrem schwer schwerverletzten Kind steht.
Leider ist diese Variante durch die hier verwendete Sprache unsichtbar geworden. Es könnte sich bei der Person aus dem Chirurgenteam um eine Frau handeln, doch das ruft die maskuline Form „Chirurgen“ nicht in unseren Gehirnen hervor. Genau deshalb funktioniert das generische Maskulinum nicht in der Art, wie es eigentlich gewünscht und gemeint ist:
„Aus Gründen der Verständlichkeit verwenden wir in diesem Text das generische Maskulinum. Das weibliche Geschlecht ist dabei mitgemeint.“
Mitgemeint ist leider nicht mitgesagt. Eine deutsch-niederländische Studie1 fand beispielsweise heraus, dass die Paarform (Chirurginnen und Chirurgen) dabei hilft Frauen mental miteinzubeziehen. Die Nennung von nur der maskulinen Form reicht dem Gehirn nicht aus, um Bilder einer weiblichen Chirurgin aufzurufen.
Wenn das Gehirn eine explizit feminine Personenbezeichnung braucht, um an Frauen zu denken, was ist dann mit Menschen, die sich jenseits von „weiblich“ und „männlich“ verorten? Wie können wir diese Personen in der Sprache abbilden, damit sie mitgedacht werden?
Bei it-agile wollen wir in unsere Texte alle Geschlechter einbinden. Daher bemühen wir uns um eine geschlechterumfassende Sprache: Wenn möglich nutzen wir eine neutrale Personenbezeichnung, wie z. B. „Teilnehmende“. Um Frauen sichtbar zu machen, greifen wir gelegentlich auch auf die binäre Variante „Kolleginnen und Kollegen“ zurück. Mit dem Dopppelpunkt „Kund:innen“ möchten wir Geschlechter ansprechen, die sich außerhalb des binären Systems verorten. Damit wenden wir uns gegen die Diskriminierung von Geschlechtern durch ein generisches Maskulinum.
1 Dries Vervecken, Bettina Hannover: Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy. In: Social Psychology Nr. 46 (2015), S. 76–92.