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Das agile Mindset entscheidet darüber, ob man agil tut oder agil ist
Das agile Mindset beschreibt eine auf Werten basierende Grundhaltung des stetigen Dazulernens, dem Growth Mindset ausgeht. Erstaunlich ist, dass das agile Mindset anderer bei uns selbst beginnt. Denn es entwickelt sich durch Vorleben und Nachahmung.
„Der Grund warum Organisationen bei agilen Transformationen straucheln liegt in dem, was drumherum zusätzlich passiert, nicht passiert oder was dem agilen Kernzyklus im Wege steht."
Dinge, die Agilität im Wege stehen können Aussagen sein wie diese:
Erkennen Sie die ein oder andere Aussage wieder? Ja, ist doof, aber Sie sind damit nicht allein. Und: man kann das ändern!
Um dieses toxische Denken aufzubrechen und stattdessen die positive Wirkung von Agilität zu erleben braucht es nur 2 Glaubenssätze:
Sie drücken eine Haltung des konstruktiven Zweifels aus; eine Grundhaltung des stetigen Dazulernens.
Das agile Mindset beschreibt eine durch die agilen Werte und Prinzipien geprägte Grundhaltung des stetigen Dazulernens, die die Wirkung agiler Praktiken verstärkt.
In diesem Artikel erklären wir, welche Werte und Prinzipien dem agilen Mindset zugrunde liegen und wie Sie ein agiles Mindset entwickeln und festgefahrene Geisteshaltungen verändern können.
Wie das Mindset die Wirkung von Agilität verstärkt
Produktentwicklung könnte so einfach sein: Kund:in kommt mit Problem; Team liefert die Lösung.
Fertig?
Nicht ganz. Der Grund, warum Unternehmen auf empirische Managementmethoden wie Scrum zurückgreifen ist der, dass sie auf transparente Art und Weise die Treffsicherheit des Produkts erhöhen; und zwar durch kleine funktionsfähige Auslieferungen in hoher Frequenz. Diesen einfachen Kernprozess nennen wir “agilen Kernzyklus”. (vgl. Grafik)
Um ihn zu managen braucht es einen organisatorischen Überbau, damit der agile Kernzyklus zwischen Kund:innen und Team am Laufen gehalten wird.
Fertig?
Noch nicht ganz.
Um die Haltung des stetigen Dazulernens zu untermauern wird Agilität mit agilen Leitsätzen, Werten und Prinzipien flankiert. Sie verstärken somit die Wirkung des empirischen Managements (Transparenz + inspect & adapt).
Wenn der organisatorische Rahmen des agilen Prozesses die Ratio ist (Kopf) ist, so stehen die Wert und Prinzipien für die Haltung (Herz), mit der wir diesen Prozess leben.
Mit einem agilen Mindset stehen Herz und Kopf im ständigen Austausch und verstärken einander.
Die Werte und Prinzipien verstärken die Wirkung des Kernzyklus und die Wirkung des erfolgreichen Kernzyklus fördert wiederum die Entwicklung der Werte.
Erst durch diese positive Verstärkung wird Agilität wirkungsvoll.
Entscheidend ist, mit welcher Stringenz und Authentizität ich diese Werte als Führungskraft und als Mitarbeiter:in vorlebe.
Hier ein konkretes Beispiel:
Das wichtigste Prinzip eines:r ProductOwner:in lautet: “maximiere den Geschäftswert”. Ein mögliches “Antipattern” wäre, wenn ich als Product Owner:in ein Backlog nach Geschäftswert priorisiere, es aber zulasse, dass Arbeitspakete der Stakeholder am Backlog vorbei direkt auf dem Schreibtisch von Entwickler:innen landen. Offensichtlich wird das Prinzip, nach Geschäftswert zu priorisieren, verletzt. Das Unternehmen verliert dadurch Fokus auf die wichtigeren Aufgaben. Fokus ist aberein agiler (Scrum-)Wert. Hier braucht es Mut, diesen Missstand respektvoll anzusprechen. Mut und Respekt sind ebenfalls agile (Scrum-)Werte. Ohne diese Haltung läuft Agilität ins Leere; es wird so keine Verbesserung eintreten. |
Wie dieser Zusammenhang mit Werten und Prinzipien besteht, können Sie in unseren Certified Agile Leadership-Kursen (CAL) Kursen erfahren.
Growth Mindset heißt kontinuierliches Lernen
Die Haltung des konstruktiven Zweifels und des stetigen Dazulernens ist eng verknüpft mit dem Growth Mindset, wie es Carol Dweck in ihrem Buch „Mindset. The new psychology of success“ definiert.
Sie unterscheidet zwischen zwei Selbstbildern, dem Fixed Mindset und dem Growth Mindset. Sie bestimmen, wie wir uns sehen, entwickeln und welche Ziele wir uns setzen – mit Auswirkung auf Organisationsebene.
Fixed Mindset:
„Meine Intelligenz, Talente und Kompetenzen sind beschränkt. Falls ich danach gefragt werden, verfolge ich zwei Strategien: Entweder stelle ich meine Kapazitäten unter Beweis oder ich gehe potentiell peinlichen Situationen aus dem Weg. Prüfungen sind ein Beweisantritt zur Wahrung meiner Persönlichkeit.“
In einem Fixed Mindset habe ich das Selbstbild, mich ständig beweisen zu müssen. Niederlagen werden als persönliche Unzulänglichkeit verstanden. Beispiele:
Growth Mindset:
„Talente, Intelligenz und Fähigkeiten sind nicht in Stein gemeißelt. Ich habe den Glauben, dass Gewohnheiten, Lernstrategien, Übung und Hilfe durch andere darüber entscheiden, ob und wie schnell ich mich verbessere. Ich habe den Glauben, dass sich Menschen zwar in ihren initialen Talenten, Interessen und in ihrem initialen Temperament und ihrer Haltung unterscheiden, jedoch durch Feedback und Erfahrung wachsen werden.“
Im Unterschied zum Fixed Mindset befinde ich mich mit Growth Mindset auf einer Lernreise. Ich entwickle mich stetig weiter, statt beweisen zu müssen, dass ich bereits der oder die Beste bin. Niederlagen werden nicht als Unzulänglichkeit, sondern als Unvollkommenheit verstanden. Beispiele:
Es existiert hier kein „Entweder-oder“. Wir können, je nach Situation, die eine oder andere Haltung einnehmen.
Lob und Tadel
Ein agiles Mindset hat auch Auswirkungen darauf, wie Vorgesetzte über Erfolg und Misserfolg sprechen. Es geht nicht mehr darum, vorhandene Fähigkeiten zu bestätigen, sondern Respekt für eine vorteilhafte Arbeitsethik zu zeigen:
Es geht also um die inkrementelle Lernentwicklung: nach der Prüfung geht der Lernzyklus weiter.
So sind nach dem agilen Mindset Zertifikate und Titel keine Eintrittskarten für die nächste Sprosse der Karriereleiter, sondern Ausdruck dieser nachhaltigen Arbeitsethik.
Umgekehrt geht es bei Misserfolgen darum, dass Mitarbeiter sich auch angesichts wachsender Verantwortung zutrauen, Führung zu übernehmen, statt befürchten zu müssen, irgendwann den höher werdenden Erwartungen nicht mehr gerecht zu werden:
Vorleben und Nachahmen
Man ahnt bereits: ein agiles Mindset lässt sich nicht einmalig ausrollen oder einfordern. Schon gar nicht nach oben. Das gleicht dem Versuch, einen Faden zu schieben. Was können Mitarbeiter:innen und Führungskräfte also tun, wenn Mitarbeiter:innen oder Chef:innen auf alten Gewohnheiten verharren?
Der Weg zu neuen Geisteshaltungen der Mitarbeiter:innen besteht aus Vorleben und Nachahmen. Die Veränderung fängt also bei uns selbst an, damit wir Mitmenschen zum Nachahmen inspirieren.
Führungskräfte haben die Aufgabe für eine Arbeitsumgebung zu sorgen, in der ein Growth Mindset gefördert wird und die psychologisch sicher ist, so dass Mitarbeiter:innen sich verletzlich zeigen können. Sei es, weil sie sich trauen, einen Fehler zuzugeben, wiederholt um Erklärung eines Sachverhalts zu fragen oder „Elefanten im Raum“ ansprechen zu können.
Wie das gelingt? Indem Führungskräfte selbst ein Growth Mindset vorleben und sich verletzlich zeigen, also offen über eigene Fehlschläge und Irrwege sprechen. Verletzlichkeit zeigen führt zu Verbundenheit und diese vermittelt ein Gefühl der psychologischen Sicherheit.
Für den Weg zur Führungskraft empfiehlt sich der Weg über den Agile Coach. Diese allparteiliche Rolle erlaubt es, brisante Themen zunächst vertraulich zu besprechen und Lösungswege zu finden; z.B. indem das Feedback in ggf. anonymisierter Form „nach oben“ gelangt.
Eine innere Haltung wie die eines agilen Mindsets hilft, Strukturen nicht als gegeben, sondern als kleinschrittig anpassbar zu sehen und kritische Stimmen willkommen zu heißen. Denn so hört man hinter den entrüsteten Stimmen, warum Dinge nicht oder immer noch nicht so laufen wie gedacht, wertvolles Feedback heraus.
Mit einem Fixed Mindset erkennt man zwar das Problem, argumentiert aber so: „Wir müssen besser kommunizieren und uns an unsere Prozesse und Vereinbarungen halten”.
Mit einem agilen Mindset habe ich hingegen die innere Haltung, dass Prozesse gechallenged und neue Dinge in kleinen Bereichen ausprobiert werden dürfen.
Die Vorteile eines agilen Mindsets wirken sich auf die gesamte Organisation aus. Eine Studie aus 2020 mit 208 mittelständische Unternehmen und Konzernen stellte fest, dass 32 % des Top-Managements agile Arbeitsweisen nicht vorleben. Dagegen scheint es einen deutlichen Kulturwandel im mittleren Management zu geben: Über 80 % der Studienteilnehmer:innen des mittleren Managements leben agile Arbeitsweisen vor.
Dies ist insofern schade, als dass die Wirkung agiler Arbeitsweisen sehr stark von der Unterstützung und dem Verständnis des oberen Managements abhängt.
Es stellt sich entsprechend der Studie also die berechtigte Frage: „Wie sag ich’s meinem:r Chef:in?”
Die Entwicklung eines Mindsets ist Selbstführung und kann in 4 Schritten erfolgen:
Werte, Prinzipien und Leitsätze
Es gibt nicht die agilen Werte. Tatsächlich wurden in den verschiedenen agilen Strömungen (Extreme Programming (XP), Feature Driven Development (FDD), Dynamic Systems Development Method (DSDM), Crystal) unterschiedliche formuliert. Aufgrund der weiten Verbreitung gehen wir hier auf die fünf Scrum Werte ein. Sie sind:
Wie die Scrum-Werte verstanden werden sollten, zeigt folgendes generisches Beispiel eines Veränderungsvorhabens:
„Wir sind als Beteiligte des Veränderungsvorhabens mutig, weil wir Transparenz zulassen. Die Transparenz wird zu Erkenntnissen führen, die schmerzhaft und überraschend sein können, weswegen jeder für bevorstehende notwendige Veränderungen offen sein muss. Auf dem Weg der Veränderungen zeigen wir jenen Respekt, die eine andere Meinung haben als wir selbst und sind dankbar für alle, die mit Commitment vorangehen und uns dabei helfen, Fokus auf das Wesentliche zu behalten, damit alle am selben Strang ziehen.”
Das agile Manifest
Das agile Manifest bildet die Grundlage dafür, wie Organisationen schwergewichtige, dokumentenlastige Entwicklungsprozesse in solche entwickeln können, die die Wertschöpfung maximieren.
Im Februar 2001 trafen sich 17 Vertreter der Softwerker-Szene. Sie vertraten verschiedene methodische Strömungen (XP, SCRUM, Crystal, FDD etc.) mit teils kontroversen Ansichten, aber sie hatten ein gemeinsames Anliegen: eine Alternative zu finden für Softwareentwicklungsprozesse, die bis dato durch aufwendige Dokumentationen sehr schwerfällig und wenig kundenzentriert waren. Dabei kamen sie auf eine gemeinsame Wertebasis, die im sogenannten Agilen Manifest festgeschrieben wurde.
Die vier Leitsätze bzw. Wertepaare aus dem agilen Manifest lauten:
Obwohl die Werte auf der rechten Seite wichtig sind, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.
Die Leitsätze sind heute so zutreffend wie damals und haben auch außerhalb der Softwareentwicklung nachweisliche Gültigkeit und Prominenz erlangt.
Das 12. Prinzip des agilen Manifests handeln vom Lernen. Es lautet: „In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an“. Auf Reflektieren folgt die Anpassung. English: Inspect and adapt.
Wenn wir dieses “Inspect & Adapt” in kleinen Schritten anwenden, werden wir auf Dauer immer bessere Ergebnisse erzielen, auch wenn Misserfolge durch Irrtümer auftreten werden. Hierzu gehören auch Verhaltensirrtümer. Wir lernen also mit und für Herz und Kopf (s.o.) gleichermaßen.
Diese kleinschrittige Lernkurve wird „Kaizen“ bezeichnet: von „kai“(改), „Veränderung“, und „zen“ (善) „besser“. Es beschreibt also das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung.
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